Herzinfarktrisiko und soziale Ungleichheit

Wer arm, weniger gebildet und beruflich nicht erfolgreich ist, wird häufiger krank und muss in der Regel auch früher sterben. Fast jedem in unserer Gesellschaft ist diese Problematik bewusst und sie wurde auch längst wissenschaftlich erwiesen. Aber wo liegen die Zusammenhänge zwischen sozialer Ungleichheit und Gesundheit? Und vor allem, existieren Zusammenhänge zwischen beruflicher und familiärer Position im Bezug auf Herzinfarkte? 

Allgemein kann man sagen, dass je niedriger die soziale Stellung eines Menschen in der Gesellschaft ist, desto größer wird die Möglichkeit, dass dieser einen Herzinfarkt erleidet. Steht eine Person unter besonderer Stressbelastung, zum Beispiel durch mangelnde Anerkennung oder als bedrohlich verstandene Rahmenbedingungen im Beruf, so steigt das Infarktrisiko.

Besonders deutlich ist dies bei Männern. So kam bei einer finnischen Studie heraus, dass bei über 2.200 Männern die Kombination aus niedrigem Einkommen und hohen beruflichen Erwartungen zu einem erhöhten Risiko führt eine Herzkrankheit zu erleiden oder vorzeitig daran zu sterben. Bei Frauen spielt dieser Zusammenhang jedoch keine Rolle. Stattdessen wurde in einer frauenspezifischen Studie festgestellt, dass ein mangelnder Einfluss (Kontrolle) im Familienleben mit einem erhöhten Infarktrisiko einhergeht.  

Aber warum hat Stress bei Menschen mit niedrigerem Einkommen mehr Einfluss auf den Herzinfarkt als bei einkommensstarken Personen? Diese Frage lässt sich leichter beantworten als man denkt. Hat ein Mensch genügend Ausgleich, beispielsweise Entspannung, die Möglichkeit kulturelle Veranstaltungen zu besuchen oder sich einfach nur vom Alltag zu lösen und Urlaub zu machen, senkt sich dieses Risiko immens. Einen weiteren Einfluss haben negative Faktoren, wie ein gesundheitsschädlicher Lebensstil mit schlechter Ernährung, Rauchen etc., die dieses Risiko unnötig steigern. 

Nimmt man den durchschnittlichen Angestellten, der all die Qualitäten eines Herzinfarkt-Risiko-Patient erfüllt, wird man feststellen, dass dieser nicht die gleichen Chancen auf Abwechslung im Beruf und Entspannung in der Freizeit besitzt. Anders sieht es hingegen beim jungen, aktiven Hochschulabsolventen aus. Auch er bringt weniger gute Berufsaussichten mit und muss sich eventuell von Praktikum zu Praktikum hangeln. Dafür ernährt  er sich gesund, ist sportlich engagiert und besucht häufig verschiedenartige Veranstaltungen, die ihm genügend Ausgleich bringen zu seinem Stress im Alltag. Dem entsprechend fühlt sich der Angestellte oder Arbeiter häufiger unwohl oder gar krank, der Hochschulabsolvent hingegen nicht.

Medizinisch ist dies folgendermaßen erklärbar: Das Gehirnbelohungssystem, welches die negativen Emotionen verarbeitet, steht in direkter Verbindung mit zwei Stressachsen des Körpers. Dies sind die Sympathikus-Achse, welche für die Ausschüttung von Adrenalin und Noradrenalin sorgt, zweitens die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrindenachse, zuständig für die Ausschüttung des Hormons Cortisol. Sind diese Stresshormone ständig in hoher Konzentration im Blut vorhanden, wird der Fettstoffwechsel eines Menschen stark beeinflusst, das Blut wird so zähflüssiger und der Blutdruck steigt. Im Endeffekt kann dies irgendwann zu einem Herzinfarkt führen.  


Doch es gibt auch positive Nachrichten: Die Zusammenhänge von Herzinfarkt und sozialer Ungleichheit nehmen langsam mit Ansteigen des Alter ab. Das bewies die Deutsche Herz-Kreislauf-Präventionsstudie, die einen Vergleich dreier Altersgruppen durchführte und zu entsprechenden Ergebnissen kam. Für alle Menschen, die sich nicht auf die Ruhe und Ausgeglichenheit eines höheren Lebensalters verlassen wollen, bleiben andere aktive Möglichkeiten der Prävention. Dazu gehören eine gesunde Lebensweise, die Vermeidung von Stress und eine ausgeglichene Freizeitgestaltung. Darüber hinaus sind gerade auch die Arbeitsbedingungen entscheidend für den Einfluss von Stress auf das Herzinfarktrisiko.  Arbeitsplatzsicherung, Annerkennung und eine angemessene Entlohnung sind eine gute Garantie, damit aus negativem Stress keine direkten Gefahren für Herz- und Kreislauf entstehen.